Journalistin, Filmproduzentin, LGBT-Person und Volontärin. Im Jahr 2022 musste sie ihre Heimat, St. Petersburg verlassen und nach Deutschland ziehen.


Bitte erzählen Sie uns etwas über sich: Woher kommen Sie, wie alt sind Sie, was haben Sie gemacht, bevor Sie nach Deutschland gekommen sind und was machen Sie heute?

Ich komme aus St. Petersburg, bin 40 Jahre alt, war vor meiner Übersiedlung nach Deutschland Co-Regisseurin bei einer Filmproduktion, jetzt bin ich freie Journalistin [The Insider] (https://theins.ru/) und Mitglied der [Allianz für ein freiheitlich-demokratisches Russland - Nürnberg] (https://www.facebook.com/AllianzFreiheitDemokratieRusslandInNuernberg/).

Erzählen Sie uns von Ihrem Freiwilligenprojekt, bei dem Sie mitmachen. Was sind die Ziele dieses Projekts und Ihre persönlichen Ziele?

Vor meinem Umzug, habe ich ukrainischen Flüchtlingen geholfen, das russische Territorium in Richtung Europa zu verlassen, und humanitäre Hilfe gesammelt. Jetzt sammeln wir Hilfe für die SKU, wir sammeln auch humanitäre Hilfe für die Ukraine, ich berate kostenlos Russen mit humanitären Visa und russische Asylbewerber. Ich helfe den Ukrainern auf freiwilliger Basis.

Ich habe mich nie im LGBT-Aktivismus engagiert, zunächst (in Russland) auf Wunsch meiner Frau, aber jetzt konzentriere ich mich darauf, Ukrainern zu helfen. Ich selbst musste nach Deutschland ziehen und meinen Lieblingsjob aufgeben, um zum ersten Mal in meinem Leben "Sozialarbeiterin" zu werden. Infolgedessen ist meine Hilfe in Russland völlig zum Erliegen gekommen. Alle, für die der Krieg eine ungeheure Katastrophe war, werden nie wieder dieselben sein wie vor dem Krieg

Es gibt die weit verbreitete Auffassung, dass LGBT-Aktivismus in Russland ein Weg ist, um im Westen politisches Asyl zu erhalten. Was würden Sie dazu sagen?

Um diese Frage zu beantworten, muss man die Wahrheit von jemandem hören, der in der LGBT-Bewegung aktiv war und sich dann für ein Asyl in Europa oder Amerika beworben hat. In Russland ist LGBT-Aktivismus mit großen persönlichen Risiken verbunden, sodass es ein extrem gefährlicher Weg ist, Asyl zu beantragen.

Wie hat sich das Gesetz über “homosexuelle Propaganda” in Russland auf Sie und Ihre Angehörigen ausgewirkt?

Als die letzte Welle von Gesetzen verabschiedet wurde, waren wir bereits in Deutschland. Nach dem ersten Gesetz hat mir meine Frau verboten, mich in irgendeiner Form für LGBT zu engagieren und öffentlich Coming-out zu haben, weil sie um die Sicherheit ihrer Tochter gefürchtet hat.

Kennen Sie persönlich jemanden, der in Russland verfolgt wurde?

Da ich ständig unter Kriegsgegner in Deutschland bin, habe ich in diesen 9 Monaten viele Menschen persönlich kennengelernt.

Warum haben Sie sich schließlich entschieden auszuwandern, was hat Sie dazu bewogen?

Nachdem mein Beitrag [über die Russland-24-Fälschung] (https://republic.ru/posts/106297) viral gegangen war, wurde ich von Dutzenden Journalisten um Kommentare gebeten. Ich habe gedacht, es sei wichtig, innerhalb Russlands zu kämpfen und vielleicht andere durch mein Beispiel zu inspirieren. Aber gegen Mitte des Sommers 2022 wurde mir klar, dass ich im Grunde nur gegen Windmühlen gekämpft hatte. Und ich wurde von vielen meiner Filmkollegen desillusioniert. Es widerte mich an, mit ihnen zusammen zu sein und während der Dreharbeiten so zu tun, als gäbe es keinen Krieg.

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Warum haben Sie sich für Deutschland entschieden?

Weil Deutschland uns ein humanitäres Visum erteilt hat, was das Leben sehr viel einfacher macht, als politisches Asyl zu beantragen. Außerdem ist Deutschland LGBT-freundlich und es wird kein Problem sein, hier einen Job zu finden. Die soziale Unterstützung in Deutschland hat mich angenehm überrascht.

Sind Sie in Deutschland auf Russophobie gestoßen?

Ich glaube, der einzige Hinweis auf Russophobie ist von mir gekommen, denn in und um Nürnberg gibt es viele russischsprachige "Putinversteher".

Haben Sie in Deutschland auf Homophobie gestoßen?

Nein. Nur die Ratlosigkeit meiner Mitbewohner, der sogenannten "Nachzügler".

Wie verbreitet ist Ihrer Meinung nach die Homophobie in Deutschland?

Es gibt sie sicherlich, aber im Gegensatz zu offensichtlich homophoben Ländern ist es hier gesetzlich verboten, sich in der Öffentlichkeit respektlos zu äußern. Wir können nicht in die Köpfe der Menschen eindringen und ihre Meinung ändern. Aber wir können von ihnen verlangen, dass sie ihre Gedanken für sich behalten.

Warum glauben Sie, dass es Deutschland gelungen ist, die Homophobie zu besiegen, insbesondere die zwischenmenschliche Homophobie, und Russland nicht?

Die Menschen sind in sich selbst gleich. Sowohl in Deutschland, in Äthiopien als auch in Russland. Sie werden von den niedrigsten und primitivsten Instinkten beherrscht. Die Aufgabe des Staates ist es, das menschliche Wesen zu unterdrücken und ihn zu einer besseren Version seiner selbst zu machen.

Unser Staat hat bei dieser Aufgabe nicht nur versagt, sondern es ist ihm für 23 Jahren gelungen, das Schlimmste aus den Menschen herauszuholen, den Schmutz aus den Tiefen ihrer Seelen herauszubringen. Und die Stagnation, die Dummheit, die Ignoranz, die Aggression sind zum Vorschein gekommen und wurden von Putin gestohlenen Medien propagiert. Deutschland wurde nach dem Krieg von den Alliierten geteilt und nicht seinem Schicksal überlassen. Die Einwohner konnten Konsequenzen ziehen und in einer demokratischen Gesellschaft leben, die unter anderem das moralische Bild ihrer Bürger überwacht.

Warum profitieren die russischen Behörden davon, dass die Gesellschaft homophob bleibt?

Um das richtige Maß an Konsolidierung und Aggression in Russland aufrechtzuerhalten, brauchen sie äußere und innere Feinde. Die äußeren Feinde sind die NATO, Europa-Gayropa und die USA. Die inneren Feinde sind die "fünfte Kolonne", "Volksfeinde" und LGBT. Auf diese Weise stellen sie das "geistige" Russland dem "seelenlosen" Westen gegenüber. Wenn es "Bedrohungen" gibt, ist es einfacher, sich an der Macht zu halten.

Wie sehen Sie die Zukunft für die LGBT-Gemeinschaft in Russland?

Im Moment ist meine Hoffnung auf einen demokratischen Wandel in Russland zu gering. Meine Befürchtung ist, dass die LGBT-Gemeinschaft völlig zerschlagen wird und zur Kriminalisierung der "Sodomie" zurückkehrt. Aber wir alle hoffen auf einen schnellen Sieg der Ukraine und den Sturz des Regimes. Wir sollten nicht glauben, dass die Ukrainer kommen und all unsere Probleme lösen werden, im Gegenteil, wir werden Reparationszahlungen leisten müssen und Russland könnte ins Mittelalter zurückfallen.

Wie können die Menschen Ihr Projekt unterstützen?

Wir sammeln Spenden und verwenden sie, um der SKU und den Ukrainern zu helfen.

Was möchten Sie den russischen Aktivisten und Freiwilligen, insbesondere den Flüchtlingen, wünschen?

Es ist ziemlich schwierig, etwas zu tun, ohne eine unmittelbare Reaktion und einen Nutzen zu erwarten. Das heißt aber nicht, dass man nicht kämpfen sollte. Wenn man die Kraft hat, kann man durch persönliche Anwesenheit und ehrenamtliche Arbeit helfen; wenn man keine Kraft, aber Geld hat, wird man es immer brauchen. Wer weder Kraft noch Geld hat, sollte sich nicht unterkriegen lassen. Lassen Sie uns alle den Sturz des Regimes und die Liberalisierung Russlands erleben.

Mehr dazu (Internetquellen sind in englischer Sprache):

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